Interessanter Streifzug durch Badens Geschichte
Bestens gelungen war die erste Vortragsveranstaltung, die der Neuenburger Geschichts- und Kulturkreis zusammen mit der Regio-VHS im Stadthaus anbot. Um den Streifzug durch 900 Jahre badische Geschichte zu hören, kamen die Zuhörer so zahlreich, dass erst einmal zusätzliche Stühle in den Staufersaal gekarrt werden mussten. Am Ende saß das Publikum im Halbkreis um Wolfgang Hug.
Der emeritierte Professor für Didaktik und Geschichte ist mit dem Thema bestens vertraut, hat er doch zahlreiche Bücher dazu veröffentlicht, und sprach deswegen ohne Manuskript, illustrierte seinen Vortrag lediglich durch einige Folien auf dem Overhead-Projektor. Bürgermeister Schuster stand die Freude ins Gesicht geschrieben, als er den Gast aus Freiburg begrüßte, widmet sich der Rathauschef doch selbst mit Nachdruck der Geschichte Neuenburgs, die gerade durch die jüngsten archäologisch begleiteten Grabungen in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist. Neuste Funde der alten Stadtmauer hätten gezeigt, dass das alten Stadtgebiet von Neuenburg sich viel weiter nach Süden erstreckte, als bisher angenommen, berichtete Schuster. Und noch weitere 3500 Quadratmeter warten auf eine Sichtung der Archäologen. Vereinsvorsitzender Friedrich Schöpflin begrüßte mit Hug den Professor, bei dem er 1966 sein Studium begonnen hatte. Hug zeigte sich erfreut über die rege Teilnahme und widmete sich zunächst den Wurzeln der Familien der Zähringer und der Markgrafen von Baden, die diesen klangvollen Titel als Ehrentitel führten, weil sie bei der Vergabe des Herzogtums Schwaben nicht zum Zuge gekommen waren und sich stattdessen mit dem Herzogtum Kärnten und der Markgrafschaft Verona zufriedengeben mussten. Kompromisse eingehen, sei etwas, was sich durch die ganze badische Geschichte zieht, sagte Hug. Er würdigte die vielfältigen Leistungen von Karl-Friedrich, der ab 1806 den Titel Großherzog führen durfte und sich auch Herzog von Zähringen nannte. Die Entstehung des Großherzogtums und Badens in seinen heutigen Grenzen zeigte Hug als spannenden Entwicklungsprozess, der seine positiven Verläufe seit den Koalitionskriegen durch das umsichtige Handeln und Verhandeln beteiligter Diplomaten und Politiker wie Sigismund von Reitzenstein und auch Napoleon erhielt. Die Verwaltungsreform, die Rechtsreform, die 1810 ins Badische Landrecht gegossen wurde sowie die Verfassung von 1818 waren nach Hug die Meilensteine, die Baden nicht nur als politisches Gebilde, sondern auch als Gemeinschaft mit einer bis heute spürbaren eigenen bürgerlichen Identität festigten. Typisch badisch sei die Fähigkeit zum Ausgleich und zum moderaten Kompromiss, typisch badisch auch die Liberalität, die schon früh die Tendenz zur Demokratie gefördert habe. Und typisch badisch auch der Stolz auf die eigene Individualität, die sich auch in vielen Geschichten und Anekdoten widerspiegele. Der kleine Staat, der im wilhelminischen Kaiserreich durch seinen hohen Lohnstandard und seine moderne Industrie eine Avantgarde-Position innehatte, war nach Hug auch geprägt von einer moderaten Verteilung der Vermögen, die scharfe soziale Gegensätze verhinderte. Engels habe damit das Scheitern der 48er Revolution erklärt, berichtete Hug. Auch aus dem heutigen Blickwinkel interessant waren Hugs Ausführungen zur Funktion der badischen Eisenbahn als Staatsbahn, deren Infrastruktur sich nach den Bedürfnissen der bürgerlichen Gesellschaft und nicht wie anderswo nach denen der Aktionäre ausrichtete. Eine ausführliche Frage- und Diskussionsrunde schloss sich an den Vortrag an, in der Hug virtuos und ganz nebenbei weitere spannende Themenkreise wie das Verhältnis von Staat und Kirche oder die Bewertung Napoleons streifte. "Das Ziel rechtfertigt die Mittel", sei die Ursünde der Aufklärer gewesen, erklärte Hug die Ambivalenz dieser schillernden Persönlichkeit, die von den Gedanken der Aufklärung tief durchdrungen gewesen sei. dop