Mit kleinen Anpassungen bei der Heuernte tausende Tiere retten
Jede Heuernte ist eine Gefahr für zahlreiche Tiere, insbesondere Insekten. Wie diese Gefahr reduziert werden kann, zeigt der nun veröffentlichte „Praxisleitfaden für eine naturverträgliche Mahd“ der LUBW Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg. Eine schonende Heuernte ist im Interesse aller, denn unsere Insekten sind ein wichtiger Baustein unserer Fauna und Flora sowie für unsere Landwirtschaft.
Wiesen im Wandel der Zeit
Blumenbunte Wiesen sind durch die Intensivierungswelle der Landwirtschaft zu Ende des letzten Jahrhunderts selten geworden. Klappertopf, Knolliger Hahnenfuß, Margerite oder Mittlerer Wegerich sind nicht nur schön, sondern sind für viele Insekten überlebenswichtige Nahrung. Wiesen bieten auch Lebensraum für zahlreiche Amphibien und Vögel. Anmutig bereichern die verbliebenen Bestände immer noch das Landschaftsbild Baden-Württembergs.
Die heutigen Wiesen sind nicht mehr mit den historischen vergleichbar. Moderne Mähgeräte sind vor allem ökonomisch effizient, sie werden immer größer und schneller. Auch für die Pflege von naturschutzwichtigen Flächen werden immer größere Geräte eingesetzt. „Diese Entwicklung ist eine der zentralen Ursachen der Gefährdung und des Rückgangs etlicher Tierarten dieser Lebensräume. Erst durch die Diskussionen der letzten Jahre zum ‚Insektensterben‘ sind auch die Auswirkungen der modernisierten Mahd in den Fokus gerückt“, erläutert Dr. Ulrich Maurer, Präsident der LUBW.
Moderne Mähgeräte sind für den Rückgang etlicher Tierarten verantwortlich
„Die heute praktizierte Form der Heuernte bewirkt bei Heuschrecken einen Individuen-Verlust von bis zu 80 Prozent - bei einem einzigen Erntedurchgang! Etliche Tierarten können, von der nahenden Erntemaschine überrascht, nicht rechtzeitig fliehen und gelangen so in die rotierenden Messer – was oftmals tödlich endet“, berichtet Maurer. Viele Wiesen werden mehrfach pro Jahr gemäht. Auch Arten wie der Grasfrosch wurden in den letzten Jahren durch moderne Technik und Verfahren fast vollständig aus Wiesen verdrängt.
Es existiert eine ganze Reihe von Möglichkeiten, um die negativen Auswirkungen der modernen Mahd zu reduzieren. Viele davon sind derzeit selbst Fachleuten wenig bekannt. Hier setzt der Praxisleitfaden der LUBW für eine naturverträgliche Mahd an. Hierzu wenige Beispiele:
Bereits eine einfache Pendelstange kann den Unterschied machen
Eine einfache Pendelstange, die vor dem Mähgerät angebracht wird, hilft bei etlichen Tieren, den Fluchtimpuls auszulösen. Für viele Insektenarten ist schon diese kleine vorzeitige Warnung eine lebensrettende Maßnahme.
Rückgriff auf naturverträgliche Techniken
Auch bereits totgesagte, aber prinzipiell naturverträglichere Techniken sind wieder im Kommen. Der sogenannte Balkenmäher wurde in jüngster Zeit weiterentwickelt und ist gegenüber moderner Technik nun wieder konkurrenzfähig.
Rückzugsräume, das wichtigste Instrument
Das wichtigste Instrument einer naturverträglichen Mahd ist und bleibt aber das Belassen von Rückzugsräumen, besser bekannt auch als Insektenschutzstreifen. Zahlreiche Tiere sterben nicht durch die Messer, haben aber nach der Mahd große Schwierigkeiten Schutz und Nahrung zu finden. Und genau dieses bieten die sogenannten Insektenschutzstreifen. Von hier aus kann die Wiese wiederbesiedelt werden, wenn Gras und Kräuter ausreichend nachgewachsen sind.
Schlüsselfaktor Straßenbegleitgrün
Wer an das Straßenbegleitgrün denkt, der hat in der Regel keine blühenden Kräuter vor dem Auge. Zu Unrecht! Das Straßenbegleitgrün ist in vielen Abschnitten ein wichtiger Lebensraum für etliche Tierarten geworden. Es durchdringt praktisch alle Landschaften und kann von vielen Tieren als Ausbreitungskorridor genutzt werden.
Allein in Baden-Württemberg dienen tausende Hektare als Straßenbegleitgrün und werden von Straßenmeistereien gepflegt. Hier hat sich besonders viel zum Positiven verändert: Etliche Kommunen haben erkannt, dass auf kommunalen Grünflächen oftmals weniger mehr ist. Wurde bis vor wenigen Jahren jedes Jahr mehrfach geschnitten, bleiben Gräser und Kräuter heute viel öfter länger stehen. Die Insekten „danken“ es. In Berlin wurden auf einem Mittelstreifen einer vielbefahrenen Straße sogar sehr seltene Insektenarten wie die Heuschreckensandwespe entdeckt!
Auch die Gerätehersteller bieten insektenschonende Lösungen: Hier ist die technische Entwicklung so weit, dass der Aufwuchs effizient entfernt werden kann, aber praktisch keine Insekten mehr sterben müssen. Solche neuartige Technik, die speziell für den Insektenschutz entwickelt wurde, sollte künftig zur Standardausrüstung jeder Kommune gehören.
Publikationsdienst der LUBW bietet an: Praxisleitfaden für eine naturverträgliche Mahd
Die LUBW hat nun eine 84-seitige Broschüre herausgegeben, in der die Zusammenhänge von Artenschutz und Heuernte durchleuchtet werden. Die Broschüre wendet sich in erster Linie an die Verwaltungen und ehrenamtliche Naturschutzakteure. Sie bietet aber auch interessierten Laien einen guten Überblick. Ziel der Broschüre ist es, die Heuernte und die Pflege des Straßenbegleitgrüns naturverträglicher zu gestalten. Neben der Sammlung aller vorhandenen Informationen zu Verfahren und Technik, werden am Ende der Broschüre auch Empfehlungen für die Praxis ausgesprochen. Die Broschüre kann über den folgenden Link im Publikationsdienst der LUBW als PDF-Datei heruntergeladen werden: https://pd.lubw.de/10580
Vollständige Titelangabe: Schoof, N., R. Luick, A. Zehm, J. Morhard, H. Nickel, J. Renk, L. Schaefer & T. Fartmann (2024): Naturverträgliche Mahd von Grünland und Pflege von Straßenbegleitgrün – Technik, Verfahren, Auswirkungen und Empfehlungen für die Praxis. Naturschutz-Praxis Landschaftspflege 4, Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg, Karlsruhe.
Weiterführende Informationen unter:
https://www.lubw.baden-wuerttemberg.de
Weitere Informationen bei:
Lilly Nockemann
Team Baurecht und Umwelt
Tel. +49 (0) 76 31 - 791-168
liesel.nockemann@neuenburg.de