Ein altehrwürdiger Brauch

Im Jahr 1627 schlossen Bürgermeister und Rat von Neuenburg eine Art „Hochwasserversicherung“ ab: „zue abwenthung des Rhein=Fluss“ – also zur Abwendung von Rheinhochwasser – erhoben die Stadtväter den heiligen Fridolin zu ihrem Stadtpatron und gelobten, ihm zu seinem Festtag am 6. März jedes Jahr eine 10 Pfund schwere Kerze zu stiften und diese nach Bad Säckingen zu bringen, wo der Heilige im 6. Jahrhundert ein Kloster errichtet hatte und wo seine Gebeine aufbewahrt werden.

Leider ist der Beschluss, mit dem Bürgermeister und Rat den heiligen Fridolin 1627 zum Stadtpatron erhoben, nicht erhalten. Wir wissen davon nur deshalb, weil der Neuenburger Stadtpfarrer Johann Jacob Christen der Jüngere 80 Jahre später begann, sich einen Überblick über den Festkalender seiner neu übernommenen Kirche in Neuenburg zu verschaffen. Zu diesem Zweck legte er auf der Basis von älteren Aufzeichnungen seiner Vorgänger ein sogenanntes Jahrzeitbuch an, das er im Laufe seiner Amtszeit immer wieder ergänzte. Darin verzeichnete er zum einen Jahrzeiten, also Messen, die jedes Jahr zum Todestag verstorbener Mitchristen gelesen werden sollten, wofür die Neuenburger Kirche von den jeweiligen Verstorbenen zu deren Lebzeiten großzügige Zuwendungen erhalten hatte. Zum anderen beschrieb er beliebte Heiligenfeste im Jahreskreis, die in der Stadt besonders gefeiert wurden, darunter auch den Festtag des heiligen Fridolin.
 
Nach den Aufzeichnungen von Stadtpfarrer Christen war Fridolin in Neuenburg schon seit dem Mittelalter besonders verehrt worden. Zum Festtag des Heiligen fand jedes Jahr eine Prozession statt, die an allen größeren Kirchen in Neuenburg vorbeiführte. Ihn 1627 zum Stadtpatron zu ernennen und ihm jedes Jahr eine Kerze zu stiften, trug neben dem Hochwasserschutz also einer vermutlich schon seit Jahrhunderten bestehenden Fridolinsverehrung in Neuenburg Rechnung.

Schon zu Pfarrer Christens Zeiten mussten die Stadtväter allerdings an ihr Gelübde gegenüber dem heiligen Fridolin erinnert werden, weil es in den Wirren des Spanischen Erbfolgekriegs und den damit einhergehenden finanziellen Schwierigkeiten der Stadt in Vergessenheit zu geraten drohte. Zwar hätten sich im Jahr 1708 anstelle der Stadtväter Menschen aus dem Volk gefunden, die Geld für die Fridolinskerze gespendet hätten, doch sei die Stadt dadurch nicht von ihrem Gelübde gegenüber dem Heiligen entbunden, wie der Stadtpfarrer tadelnd bemerkte.
 
1994 wurde der über die Jahrhunderte in Vergessenheit geratene Brauch von dem damaligen Stadthistoriker Winfried Studer wiederentdeckt. Seither hat Studer in jedem Jahr Kerzenstifter aus der Neuenburger Bürgerschaft gewinnen können. Die diesjährige Fridolinskerze haben Dr. Michael Rudolf und Dr. Sabine Linde-Rudolf aus Neuenburg am Rhein gestiftet. Sie wurde am 2. März von den beiden Stiftern nach Bad Säckingen gebracht, vom Dekan des dortigen Münsters in einer Andacht geweiht und am Schrein des heiligen Fridolin aufgestellt.
 
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